IG Agrarstandort Schweiz

Häufig gestellte Fragen rund um das EU-Vertragspacket

Wir beziehen uns auf den Agrarteil (Teil der Stabilisierung) sowie das Lebensmittelsicherheitsabkommen (Teil der Weiterentwicklung). Die Antworten beruhen auf Recherchen der IGAS sowie Angaben des Bundes. Rückmeldungen, andere Einschätzungen, zusätzliche Fragen sind willkommen: info@igas-cisa.ch

1. Agrarteil

Kommen durch den Agrarteil neue Bestimmungen auf die Landwirtschaft zu?
Nein, das Abkommen funktioniert wie bisher.


Im Agrarteil des Landwirtschaftsabkommens, wozu dessen heutige Anhänge 1-3 (gegenseitige Zollzugeständnisse und Käsefreihandel), 7 (Handel mit Weinbauerzeugnissen), 8 (Spirituosen), 9 (landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel aus biologischem Landbau), 10 (Anerkennung der Kontrolle der Konformität mit den Vermarktungsnormen für frisches Obst und Gemüse) und 12 (Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel) gehören, ist keine dynamische Rechtsübernahme vorgesehen. Das Abkommen wird in diesen Bereichen so funktionieren wie bisher. D.h. auch in diesen Bereichen werden allfällige Anpassungen vom Gemischten Ausschuss beschlossen, unter Berücksichtigung der Schweiz-internen Verfahren und Kompetenzen von Parlament, Bundesrat oder Verwaltung. Am Einbezug der Verbände, Stakeholder usw. ändert sich hier ebenfalls nichts.

Fallen die Anhänge des bestehenden Agrarabkommens weg, wenn das Lebensmittelsicherheitsabkommen abgelehnt wird?
Nein. Das ist vorausschauend geregelt.

Das Änderungsprotokoll zum Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen hält in Artikel 16 fest: (12) Die Anhänge 4, 5, 6 und 11 werden am Tag des Inkrafttretens des Protokolls zur Errichtung eines gemeinsamen Lebensmittelsicherheitsraums aufgehoben. Die Anhänge sind dann Teil des LM-Abkommens. Wird jedoch das LM-Abkommen abgelehnt wird, verbleiben die Anhänge im Agrarabkommen, werden aber nicht weiterentwickelt. Wenn sich das EU-Recht in diesen Bereichen ändert und die EU darüber nicht mit der Schweiz verhandeln will, entstehen zunehmend Unterschiede zwischen dem EU-Recht und dem Schweizer Recht. Das Abkommen erodiert.

Können EU-Kontrolleure an Stalltüren klopfen und Bussen und Sanktionen aussprechen?
Nein, die EU-Kommission kann keine direkten Kontrollen durchführen.

Wie in Handelsbeziehungen üblich, kann die EU Kontrollen begleiten, die die Schweizer Vollzugsbehörden durchführen. Dabei überprüft die EU vor allem die Konformität der Kontrollen. Das gilt auch für Schweizer Audits in EU-Ländern.


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Bestimmt die EU die Agrarpolitik der Schweiz?
Nein. Die gesamte Agrarpolitik verbleibt in Schweizer Händen.

Sämtlichen Instrumente der Schweizer Agrarpolitik bleiben erhalten. Grenzschutz, Verkäsungszulage, Einzelkulturenbeiträge, Strukturverbesserungsbeiträge, Direktzahlungssystem etc. sind nicht Teil des Abkommens. In diesem Bereich ändert sich nichts.

Kommt mehr Bürokratie auf uns zu (Regulierungen, Kontrollen etc.)?
Kaum. Das Schweizer Lebensmittelrecht ist schon jetzt mit jenem der EU harmonisiert.
Werden der Biolandbau und die Schweizer Bioverordnung von der EU bestimmt?
Nein. Die Biobestimmungen bleiben im Agrarteil und funktionieren wie bisher (Bila I).

Das Paket CH-EU hat keine Auswirkungen auf die Bio-Verordnung. Anhang 9 wird weiterhin zum Agrarteil gehören. Das Änderungsprotokoll zum Landwirtschaftsabkommen legt fest, dass diese Anhänge wie bisher funktionieren und nicht der dynamischen Rechtsübernahme unterstehen (und damit auch der Europäische Gerichtshof, [EuGH] keine Rolle hat).

2. Lebensmittelsicherheit

Wird das Kuchen backen für den Hofladen und das servieren von Fleischplättli verboten?
Nein, es gibt keine Praxisänderungen und keine zusätzlichen Auflagen für Direktvermarkter.

Die bestehenden schweizerischen Regelungen (Hygiene, gute Verfahrenspraxis und Selbstkontrolle der Lebensmittelunternehmer) sind bereits jetzt, basierend auf dem bestehenden Landwirtschaftsabkommen, gleichwertig mit denjenigen der EU. Diesbezüglich wird sich nichts ändern. Sowohl das EU, wie auch das Schweizer Recht erlaubt Flexibilität bei der Umsetzung der Bestimmungen für die direkte Abgabe von Lebensmitteln an Konsumentinnen und Konsumenten. Diese Flexibilität besteht bereits heute und daran wird sich mit dem Protokoll zur Lebensmittelsicherheit nichts ändern.

Wird im Bereich des Lebensmittelrechts automatisch nachvollzogen?
Nein, weder heute noch künftig erfolgt die Rechtsübernahme automatisch.


Rechtliche Anpassungen erfordern immer die explizite Zustimmung der Schweiz. Diese Zustimmung gibt – oder verweigert – die Schweiz in den Gemischten Ausschüssen, in denen die EU und die Schweiz über neue Regulierungen diskutieren. Die durch das Landwirtschaftsabkommen CH-EU abgedeckten Bereiche Pflanzengesundheit (Anhang 4), Futtermittel (Anhang 5), Saatgut (Anhang 6) sowie Handel mit Tieren und tierischen Erzeugnissen einschliesslich Lebensmittel tierischer Herkunft (gemeinsamer Veterinärraum; heutiger Anhang 11) werden neu im Protokoll zur Lebensmittelsicherheit geregelt und damit Teil des gemeinsamen Lebensmittelsicherheitsraums CH-EU sein. Als neue Themen kommen die pflanzlichen Lebensmittel und die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln hinzu.

Die Schweizer Gesetzgebung in besagten Bereichen entspricht aufgrund des Landwirtschaftsabkommens (bereits abgedeckte Bereiche) oder aufgrund von autonomem Nachvollzug (Bereiche, die künftig vom Protokoll zur Lebensmittelsicherheit abgedeckt werden) bereits heute grossmehrheitlich der entsprechenden EU-Gesetzgebung.

Im Erläuternden Bericht des Bundesrates finden sich u.a. in Kapitel 2.12.9.2.2, 2.12.10.1.1 und 2.12.10.1.2. Erläuterungen zu den EU-Rechtakten, die neu übernommen würden. Dazu gehört z.B. die EU-Kontrollverordnung im Bereich Pflanzengesundheit. Zudem gibt es im Bereich des pflanzlichen Vermehrungsmaterials auch Richtlinien zu Obst-, Zierpflanzen- und Gemüsepflanzgut sowie forstlichem Vermehrungsgut, die neu einer Umsetzung in der Schweiz bedürfen. Oft finden sich die Unterschiede auf Detailebene (z.B. die Verwendung des Begriffs «Konsument» anstatt «Verbraucher»).

Wie funktioniert die Mitsprache (Gemischter Ausschuss und Decision Shaping)?
Vieles läuft wie bisher. Für einige Bereiche gibt es noch Gestaltungsspielraum, den es zu unbedingt nutzen gilt.

Wenn die EU einen neuen Rechtsakt vorbereitet, hat die Schweiz ein Mitspracherecht. Die EU konsultiert Schweizer Experten und bezieht ihre Meinung mit ein. Das ist das decision shaping. Danach verabschiedet die EU den neuen Rechtsakt. Der vom Bundesrat am 13. Juni veröffentlichte Vernehmlassungsbericht beinhaltet verschiedene Vorschläge betreffend den Einbezug der Kantone und des Parlaments in dieses decision shaping (s. Ziff. 2.1.5.2.3, 2.1.7.2 und 2.1.7.7.2). Wie interessierte Kreise in das decision shaping einbezogen werden können, kann und muss noch bestimmt werden.

Sobald ein neuer EU-Rechtsakt durch die EU verabschiedet wurde, wird die Schweiz im Gemischten Ausschuss informiert. Es folgt eine Diskussion im Rahmen des Ausschusses. Dabei prüfen die Schweiz und die EU insbesondere, ob der EU-Rechtsakt in Bezug auf die Schweiz angepasst werden muss, oder sie können für die Schweiz z. B. besondere Übergangsfristen festlegen. Die Schweiz legt ihre Position im Gemischten Ausschuss vorgängig fest.

Die interessierten Kreise werden beigezogen; wann und wie dies genau geschieht, geht aus dem Entwurf des Bundesrates nicht genügend hervor. Hier muss der Bundesrat noch für Klarheit sorgen, etwa mit definierten Prozessen. Die Branchen und Verbände müssen in die Ausarbeitung dieser Prozesse einbezogen werden.

Falls der Gemischte Ausschuss die Übernahme ins Landwirtschaftsabkommen (Lebensmittelsicherheitsprotokoll) beschliesst, ist dieser Beschluss in der Schweiz gemäss den bestehenden, regulären Kompetenzen und Verfahren als völkerrechtlicher Vertrag zu genehmigen (d. h. definitiver Entscheid je nachdem durch ein Departement/Amt, den Bundesrat oder das Parlament und ggf. das Volk). Dabei bleiben auch die bisherigen bestehenden Regeln und Modalitäten betreffend Vernehmlassungsverfahren auch nach Inkrafttreten des Pakets Schweiz-EU gültig. D.h. zur Übernahme eines neuen EU-Rechtsakts bspw. in das neue Lebensmittelsicherheitsprotokoll und/oder zu einer damit verbundenen Anpassung des Schweizer Rechts wird auch in Zukunft ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt, wenn die Voraussetzungen gemäss bestehendem innerstaatlichem Recht dafür gegeben sind. Die dynamischen Rechtsübernahme ändert also nichts am Einbezug interessierter Kreise bei der Übernahme von neuem EU-Recht in das Landwirtschaftsabkommen bzw. das neue Lebensmittelsicherheitsprotokoll.

Werden neben Wirkstoffen auch PSM-Zulassungen übernommen?
Nein, die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln erfolgt weiterhin auf nationaler Ebene.

Künftig erfolgt das Bewertungs- und Genehmigungsverfahren für Wirkstoffe, die in Pflanzenschutzmitteln verwendet werden, nach dem bereits jetzt in der EU geltenden Modell. Diese Wirkstoffe durchlaufen in der EU ein sehr strenges Zulassungsverfahren.

Die Zulassung der Pflanzenschutzmittel hingegen erfolgt weiterhin auf nationaler Ebene: Jeder Mitgliedstaat der EU sowie die Schweiz können besondere Bedingungen für die Zulassung festlegen, wie etwa Einschränkungen für die Anwendung oder zusätzliche Anforderungen, vor allem zum Schutz von besonders schützenswerten Gebieten oder zur Umsetzung lokaler umweltpolitischer Vorgaben.

Mit dem Abkommen wird die Schweiz aber ins EU-Zulassungssystem für Pflanzenschutzmittel involviert und erhält Zugang zur Kontrollbehörde EFSA (European Food Safety Authority oder Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit), was die Zusammenarbeit erleichtert und den Informationsfluss gewährleistet.

Schon jetzt ist die Pflanzenschutzmittelverordnung der Schweiz weitgehend mit dem EU-Recht harmonisiert.

Hat das EU-Abkommen Auswirkungen auf das Gewässerschutzgesetz der Schweiz?
Nein. Die Schweiz entscheidet bezüglich Gewässerschutz auch zukünftig eigenständig.
Wird das Parteistellungsrecht der Umweltverbände bei PSM-Zulassungen abgeschafft?
Nein, das Parteistellungsrecht der Umweltverbände bleibt unangetastet.

Das Verfahren für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln liegt weiterhin in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten der EU bzw. der Schweiz.

Wird die Praxis der Zulassungsüberprüfung alle 10 Jahre auch übernommen?
Gegenüber der angepassten PSMV (in Kraft ab 1.12.2025) ändert sich nichts.

Mit dem Inkrafttreten der totalrevidierten Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (PSMV) am 1. Dezember 2025 werden nur noch Wirkstoffe, die in der EU zugelassen sind, auch in der Schweiz zugelassen sein. Das gilt auch für die Überprüfung dieser Wirkstoffe und damit auch für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die diese Stoffe enthalten. In diesem Sinne wird das Protokoll zur Lebensmittelsicherheit nichts an der Praxis ändern, die mit dem Inkrafttreten der totalrevidierten PSMV eingeführt wird.

Kann gebeiztes Saatgut aus einem EU-Land importieren werden?
Ja. Das Inverkehrbringen von Saatgut, das in einem EU-Land zugelassen wurde, darf nicht verboten werden.

Mit der Ratifizierung Protokoll zur Lebensmittelsicherheit wird die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln auch für die Schweiz gelten. Gemäss Artikel 49 dieser Verordnung dürfen die Mitgliedstaaten der EU (und zukünftig auch die Schweiz) das Inverkehrbringen und die Verwendung von Saatgut, das mit Pflanzenschutzmitteln be-handelt wurde, welche in mindestens einem Mitgliedstaat der EU für diese Verwendung zugelassen sind, nicht verbieten. Es ist nicht geplant, zusätzliche Anwendungsauflagen festzulegen.

Verbietet uns die EU den Verkauf von Äpfeln, die kleiner als 6cm im Durchmesser sind?
Nein. Die Schweiz übernimmt die Gemüse- und Früchtenormen der EU nicht, da diese in den Landwirtschaftsteil fallen – und nicht in den Teil zur Lebensmittelsicherheit.

Auch die Schweiz kennt Normen an Früchten und Gemüse, die klar begründet sind (Reife, Verpackung/Verarbeitung, Praktikabilität). Anders als in der EU sind die Normen in der Schweiz privatrechtlich geregelt.

Gibt es auch Unsicherheiten?
Ja, klar.

Zum einen liegt nun (Herbst 2025) erst der Vorschlag des Bundesrates auf dem Tisch, wie er den Vertrag im Inland umsetzen will. Nun läuft die Vernehmlassung dazu, danach behandelt das Parlament die Botschaft des Bundesrates. Änderungen im Vollzug und Ausgestaltung sind also noch möglich. Zeit, mehr Klarheit zu schaffen, gibt es.